Von Vitaminpillen bis zum Hormonpäparat

In unserer hochtechnisierten und leistungsorientierten Gesellschaft wird nicht nur im Spitzensport gedopt. Der Griff in den Medikamentenschrank mit der Absicht der Leistungssteigerung ist längst auch im Breitensport, in Ausbildung und Beruf oder bei Freizeitaktivitäten verbreitet. Während der organisierte Sport auf ein klares Dopingverbot mit einschlägigem Regelwerk und handfesten sportrechtlichen Konsequenzen zurückgreift, spielt sich der Missbrauch von Medikamenten zur Leistungssteigerung in der Gesellschaft einschließlich des Freizeitsports in einer Grauzone ab. Er kann nur geahndet werden, wenn gesetzliche Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes verletzt werden. Die Risiken und negativen Begleiterscheinungen wie gesundheitliche Gefährdungen oder Suchtgefahr sind aber die gleichen wie im Spitzensport.
Mit großer Sorglosigkeit schlucken gesunde Menschen harmlos anmutende Mittel wie Schmerztabletten, Erkältungs- oder Nahrungsergänzungsmittel ohne jede Indikation. Das allein kann schon die Gesundheit schädigen. Doch durch die Gewöhnung an solche Hilfsmittel kann der Schritt zu harten Dopingmitteln schnell kleiner werden, vor allem für junge Menschen. Selbst Kinder können leicht daran gewöhnt werden, sich nicht nur auf sich selbst zu verlassen, wenn ihnen Vitaminpillen, Energie-Drinks oder Eiweißriegel verabreicht werden mit dem Ziel, z.B. bei einer Klassenarbeit besser abzuschneiden oder nach anstrengendem Unterricht noch im Sport oder in der Musikprobe zu bestehen.
Zum Thema Medikamentenmissbrauch im Freizeitsport und allen anderen gesellschaftlichen Feldern liegen bisher nur wenige Studien vor, regelmäßig erhobene Daten gibt es für Deutschland bisher überhaupt nicht. Diese wenigen Studien bestätigen allerdings die Annahme, dass Medikamentenmissbrauch auch im Breitensport weit verbreitet ist und dass auch im Alltag schnell zur Pille zum Zweck der Leistungssteigerung gegriffen wird.
Einer Studie der DAK zufolge nehmen in Deutschland zwei Millionen Menschen gelegentlich Medikamente, um bei der Arbeit leistungsfähiger zu sein. 800.000 tun dies regelmäßig. Auch bei Studenten spielen leistungssteigernde Medikamente vor allem vor Prüfungen eine Rolle. 5% der Studierenden haben nach einer vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragten Onlinebefragung bereits zu solchen Präparaten gegriffen, um ihre Leistungen zu verbessern.
Speziell bei Breitensportveranstaltungen wie Marathon, Volksläufen oder Triathlon werden häufig rezeptfreie Schmerzmittel eingenommen, um die Schmerzgrenze hinauszutreiben. Laut einer Befragung von Teilnehmern des Bonner Marathons 2009 räumte jeder zweite Läufer ein, vor dem Start Schmerzmittel genommen zu haben, um Muskel- und Gelenkschmerzen vorzubeugen. Eine Studie aus dem breitensportlichen Ausdauerbereich anlässlich des Sportärztekongresses 2009 in Ulm brachte die Erkenntnis, dass in diesem Bereich regelmäßig Nahrungsergänzungs- sowie Schmerzmittel konsumiert werden (Steuer/Höltke/Hömberg/Jakob 2009).
Zu echten Dopingmitteln – meist Anabolika – greifen vor allem Besucher von Fitnessstudios. Eine Studie der Universität Tübingen (2008) hat ergeben, dass 19% der männlichen und 4% der weiblichen Mitglieder in kommerziellen Fitnessstudios mindestens einmal im Leben Dopingsubstanzen eingenommen haben. Bei insgesamt rund sieben Millionen Mitgliedern in Fitnessstudios sind dies bundesweit leicht mehrere hunderttausend Personen.
Zu noch deutlicheren Ergebnissen kommt eine Studie der Universität Frankfurt von 2011. Laut dieser Umfrage nehmen 25 % der in elf kommerziellen Fitnessstudios trainierenden Männer und 14 % der Frauen leistungssteigernde Medikamente ein.
Die Frankfurter Drogentrendstudie MoSyD kommt 2019 zu dem Ergebnis, dass 1 % der 15- bis 18-jährigen Schülerinnen und Schüler mindestens einmal in ihrem Leben Hormonpräparate zum Muskelaufbau genommen haben.